Aufgrund des hohen Preises der antiretroviralen Medikamente ist die PrEP, wenn man die Kosten „pro Dosis“ heranzieht, teurer als die meisten anderen Methoden zum Schutz vor HIV.
Nichtsdestotrotz haben verschiedene wissenschaftliche Modellrechnungen gezeigt, dass PrEP-Programme langfristig nicht nur ihre Kosten wieder einspielen, sogar Geld sparen können, weil es bei Nichteinführung der PrEP zu mehr HIV-Infektionen und hohen Kosten für die lebenslange antiretrovirale Behandlung kommt.
Ob die PrEP wirtschaftlich eingesetzt werden kann, hängt entscheidend von drei Faktoren ab:
- von den tatsächlichen Kosten der PrEP wie auch der HIV-Medikamente zur Behandlung von Menschen, die sich bei Nichteinführung der PrEP mit HIV infizieren;
- von der Wahrscheinlichkeit, mit der sich jemand mit HIV infiziert, wenn er oder sie keine PrEP macht;
- vom Zeitraum, auf den sich die berechneten Einsparungen durch die PrEP beziehen.
Die Kosten der PrEP lassen sich ziemlich einfach berechnen. Nehmen wir an, 10.000 Menschen nehmen zur PrEP täglich eine Tablette Truvada zu einem Listenpreis von etwa 450 Euro pro Monat, dann kommen wir auf höchstens 54 Millionen Euro im Jahr. (Tatsächlich lägen die Kosten niedriger, denn ein Teil der Menschen würde die PrEP nur anlassbezogen nehmen, und außerdem wären bei so hohen Zahlen Rabattverhandlungen möglich.) Senkt man den Preis auf den derzeitigen Preis von PrEP-Generika, etwa 45 Euro im Monat, sinken die Kosten um 90 Prozent auf 5,4 Millionen Euro im Jahr.
Die Frage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses ist komplexer. Schon im Bereich der Behandlung streitet man sich häufig, ob ein Medikament „erschwinglich“ ist – mit Bezug auf die Kosten für die Rettung von Menschenleben.
Als Präventionsmaßnahme werden auch viele Leute eine PrEP machen, die sich auch ohne PrEP nicht infizieren würden. Selbst wenn 10 Prozent einer Gruppe sich jedes Jahr mit HIV infizieren – eine extrem hohe sogenannte Inzidenz-Rate, wie sie aber in der PROUD-Studie beobachtet wurde –, heißt das, dass sich die anderen 90 Prozent nicht infizieren.
Eine jährliche Inzidenzrate von 10 Prozent allerdings heißt, dass sich innerhalb von acht Jahren 50 Prozent der ursprünglichen Gruppe mit HIV infizieren. Auf lange Sicht also würde die PrEP mehr Infektionen verhindern. Andererseits haben die meisten Leute nicht über einen so langen Zeitraum ein solchermaßen erhöhtes HIV-Risiko.
Wirtschaftlichkeitsberechnungen berechnen die zusätzlichen Kosten oder Einsparungen, die eine neue Maßnahme über einen bestimmten Zeitraum mit sich bringt. „Kosteneffizient“ ist dabei nicht dasselbe wie „kostensparend“, denn es wird allgemein anerkannt, dass medizinische Innovationen gewisse zusätzliche Kosten rechtfertigen. In Ländern mit hohen Einkommen gelten in der Regel Kosten von etwa 30.000 Euro pro gerettetem Lebensjahr als kosteneffizient.
2013 wurde eine systematische Auswertung von 13 Kosten-Nutzen-Analysen aus verschiedenen Ländern veröffentlicht. Sie zeigte große Unterschiede bei den Ergebnissen, je nach den Annahmen, die den Modellen zugrunde lagen. Die meisten Modelle bezogen sich allerdings auf veraltete Annahmen hinsichtlich der Wirksamkeit der PrEP.
In Europa sind seither vier aktuellere Kosten-Nutzen-Analysen veröffentlicht worden, zwei zu Großbritannien, eine zu den Niederlanden und eine zu Frankreich.
Die erste der Studien zu Großbritannien ergab, dass die PrEP auf lange Sicht sogar bei den jetzigen Preisen für die Markenmedikamente Geld sparen würde, wenn man sie nur an schwule Männer mit häufig wechselnden Partnern vergäbe (mehr als fünf Partner in drei Monaten). Würde man die PrEP dagegen für größere Gruppen zur Verfügung stellen, würde die PrEP erst nach 15 Jahren zu Einsparungen führen – und nur dann, wenn die Medikamentenpreise um mindestens 80 Prozent gesenkt würden.
Die zweite britische Studie ergab, dass die PrEP dann Kosten sparen würde, wenn ihre Wirksamkeit tatsächlich bei 86 Prozent liegt (wie in der PROUD-Studie) oder wenn sie für weniger als 25 Prozent des derzeitigen Preises verfügbar wäre.
Die Studie aus den Niederlanden zeigte ebenfalls, dass die PrEP sogar bei den derzeitigen Preisen schon nach relativ kurzer Zeit Kosten sparen würde, wenn man sie nur den schwulen Männern mit dem höchsten HIV-Risiko gäbe. Sie würde darüber hinaus auch dann Kosten sparen, wenn man sie den meisten Männern mit einem hohen HIV-Risiko gäbe und die Medikamentenpreise um 70 Prozent niedriger wären. Dieses Modell bezieht auch sogenannte sekundäre Infektionen mit ein und geht davon aus, dass jede verhinderte HIV-Infektion im Schnitt insgesamt 1,7 verhinderte HIV-Infektionen bedeutet.
Die Studie aus Frankreich verglich nur die Kosten der PrEP mit den Kosten für die HIV-Behandlung über ein Jahr. Das wenig überraschende Ergebnis war, dass die PrEP bei den derzeitigen Medikamentenpreisen und über einen solch kurzen Zeitraum die „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ nicht bestehen würde. Ein weiteres Ergebnis war aber auch, dass die PrEP bei einer Senkung der Medikamentenpreise um 88 Prozent und bei Befolgung des Ipergay-Modells schon im ersten Jahr nach der Einführung kosteneffektiv wäre. Das bedeutet, dass sie über einen längeren Zeitraum Kosten sparen würde.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA verglich die Kosten bei einjähriger PrEP-Einahme mit den Kosten, welche die ohne die PrEP eintretenden HIV-Infektionen lebenslang verursachen würden. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es bei einer angenommenen PrEP-Schutzwirkung von nur 44 % (wie in der iPrEx-Studie) und dem Einsatz des teuren Truvada-Originalpräparates 64.000 US-Dollar kosten würde, um ein “Qualitätskorrigiertes Lebensjahr” (QALY) zu retten. Das liegt zwar im Rahmen dessen, was innerhalb des US-Gesundheitssystems als kosteneffizient gilt, würde aber trotzdem wohl kaum finanziert werden. Liegt die Schutzwirkung allerdings bei 92 % – wie in den teilnehmenden US-Zentren der iPrEx_Studie – oder sinkt der Preis des PrEP-Medikaments (Tenofovir/Emtricitabin) um 80 %, wäre die PrEP nicht nur kosteneffizient, sondern würde sogar Kosten sparen.