Die PrEP funktioniert, wenn man sie nimmt.
Die meisten Studien haben überzeugend gezeigt, dass die PrEP sexuelle HIV-Übertragungen hoch wirksam verhindert, und zwar sowohl bei Männern, die Sex mit Männern haben, als auch bei heterosexuellen Frauen und Männern.
In einigen Studien zeigte die PrEP zwar auch keine Wirkung, aber dies war vollständig darauf zurückzuführen, dass nur wenige Teilnehmer_innen auch wirklich die Medikamente nahmen.
Eine im Juli 2016 veröffentlichte Meta-Analyse der Weltgesundheitsorganisation zeigte, dass die PrEP im Durchschnitt sieben von zehn HIV-Infektionen verhinderte, die sonst geschehen wären. Einbezogen wurden dabei auch solche Studien, in denen die „Einnahmetreue“ sehr gering war.
Wenn die PrEP konsequent eingenommen wird, ist sie zu fast 100 Prozent wirksam. Bisher gibt es nur drei überzeugend dokumentierte Fälle – bei über 100.000 Nutzer_innen –, in denen es trotz guter Einnahmetreue zu einer HIV-Infektion kam. In zwei dieser Fälle war dafür ein seltener, hoch resistenter HIV-Stamm verantwortlich.
Die erste Studie, die zeigte, dass die PrEP vor sexuellen HIV-Übertragungen schützen könnte, war die iPrEx-Studie zur PrEP bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM). Laut ihren im November 2010 vorgestellten Ergebnissen senkte die PrEP die Zahl der HIV-Infektionen um 44 Prozent.
Die Zahl erscheint heute bescheiden, stellte seinerzeit aber einen Durchbruch dar. Die Wirkung fiel damals nicht größer aus, weil in den Studienzentren mit den meisten Teilnehmer_innen nur eine Minderheit die PrEP vorschriftsmäßig einnahm. Die Gesamt-Therapietreue wurde mithilfe von Medikamentenspiegel-Bestimmungen mit 51 Prozent berechnet. Bei Männern, die die PrEP konsequent vorschriftsmäßig einnahmen, wurde die Zahl der HIV-Infektionen um 73 Prozent gesenkt.
Im Juli 2011 wurden die Ergebnisse der in Kenia und Uganda durchgeführten Partners PrEP Study veröffentlicht. Sie zeigten, dass die PrEP bei heterosexuellen Paaren mit unterschiedlichem HIV-Status die Zahl der HIV-Infektionen um 67 Prozent senkte. Bei der Wirksamkeit gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Studie war eine der wenigen, die neben Tenofovir plus Emtricitabin auch den Einsatz von Tenofovir alleine untersuchte; Ergebnis war, dass Tenofovir genauso wirksam war.
Ungefähr zu selben Zeit zeigten die Ergebnisse der TDF2-Studie unter 1.200 heterosexuellen Frauen und Männern in Botwswana eine Wirksamkeit von insgesamt 63 Prozent. Sie stieg auf 78 Prozent, wenn man Teilnehmer_innen ausschloss, die über einen Monat lang keine PrEP-Tabletten genommen hatten. Auch hier war die Wirksamkeit bei Männern und Frauen gleich.
Zwei weitere Studien mit Frauen aus afrikanischen Ländern dagegen zeigten keine Wirkung der PrEP. In der FEM-PrEP– und der VOICE-Studie, die im März 2011 und Februar 2013 vorgestellt wurden, war der PrEP-Gebrauch zu gering gewesen, um eine Wirkung zu haben. Nur etwa jeweils ein Viertel der Frauen hatten die Tabletten oft genug genommen, damit sie überhaupt wirken konnten. Die Gründe für diese geringe Therapietreue waren komplex; am wichtigsten waren Misstrauen gegenüber der Wirksamkeit der PrEP und die Tatsache, dass die Frauen vor allem wegen der mit der Studie verbundenen guten Gesundheitsversorgung teilnahmen und nicht wegen der PrEP.
Zu der damaligen Zeit – 2013, während also die PrEP in den USA schon zugelassen war – konnte man also durchaus noch sagen, dass die PrEP offenbar funktionieren kann, dass ihre Gesamtwirkung aber nicht höher ist als konsequenter Kondomgebrauch.
Ende 2014 allerdings ergaben zwei europäische PrEP-Studien mit MSM, PROUD und IPERGAY, ein völlig neues Bild der PrEP und legten das Fundament für ihre breite Anerkennung. Beiden Studien endeten früher als geplant im Oktober 2014 (bzw. sie wurden geöffnet), als klar wurde, dass die Schutzwirkung weit höher lag als erwartet. Als die Ergebnisse im 2015 vorgestellt wurden, zeigten beide Studien, dass bei den Teilnehmer_innen, die die PrEP nahmen, 86 Prozent weniger HIV-Infektionen aufgetreten waren als bei den Teilnehmer_innen ohne PrEP. Von denjenigen, die sich mit HIV infiziert hatten, hatte zu jenem Zeitpunkt niemand die PrEP tatsächlich genommen.
Verschiedene Studien sind im Anschluss zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Sie alle erzählen dieselbe Geschichte: Die PrEP ist extrem wirksam, wenn man sie konsequent einnimmt. Dazu passen auch die Studien, die eine geringere Therapietreuere und so eine geringere Wirksamkeit bei Menschen zeigen, denen es schwerfallen kann, die PrEP konsequent einzunehmen, darunter Heranwachsende, einige schwarze MSM sowie einige Frauen.
Weniger klar ist das Bild, wenn man sich Infektionen durch nichtsterile Nadeln ansieht. Es gibt nur eine wissenschaftliche Studie zur PrEP bei Menschen, die Drogen intravenös konsumieren; ihre 2013 vorgestellten Ergebnisse zeigen eine Wirksamkeit von 49 Prozent. Die angewendeten Methoden, darunter eine PrEP-Einnahme unter Aufsicht, könnten allerdings die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Drogen verfehlen. Wir brauchen deshalb weitere Studien zu dieser Gruppe.
Wenn die PrEP unter normalen Bedingungen (das heißt außerhalb von Studien) eingeführt wird, ist sie offenbar genauso wirksam wie im Rahmen von Studien. Eine Studie zu einem PrEP-Programm in Nordkalifornien, in dessen Rahmen fast 1.000 Menschen die PrEP nahmen, dokumentiere nur zwei HIV-Infektionen – beide bei Männern, die mit der PrEP aufgehört hatten, weil sie ihren Versicherungsschutz verloren hatten.