Derzeit kauft die Mehrheit der Menschen, die in Europa eine PrEP machen, die Medikamente selbst. Manche kaufen sie privat bei ihrem Arzt oder ihrer Ärztin, manche kaufen oder bekommen sie von Freund_innen, aber die meisten kaufen sie bei Online-Apotheken.
Online-Apotheken verkaufen Truvada-Generika mit den Inhaltsstoffen Tenofovir und Emtricitabin; die Pillen sehen ähnlich aus wie die Truvada-Tabletten. Eine Marke ist Ricovir, eine andere Tenvir-EM. Es handelt sich dabei um antiretrovirale Medikamente, die von Generika-Herstellern für Länder mit geringen Einkommen produziert werden und in der Regel für etwa 10 Prozent des Truvada-Listenpreises in Ländern mit hohen Einkommen zu bekommen sind, das heißt für etwa 29 bis 54 Euro für 30 Tabletten (je nach Land, aus dem bestellt wird).
PrEP-Tabletten online zu kaufen ist nur möglich, weil es „Schlupflöcher“ (Ausnahmen) in den Gesetzen über Arzneimittel und Medizinprodukte gibt. Es gibt nur wenige Länder, zum Beispiel Großbritannien oder die Schweiz, welche die Einfuhr geringer Mengen von Medikamenten für den Eigengebrauch erlauben (in der Schweiz z. B. für einen Monat, in Großbritannien und anderen Ländern für drei Monate). Einige Länder wie z. B. Ungarn erlauben nur die einmalige Bestellung einer für den Eigengebrauch bestimmten Menge. In anderen Ländern gibt es keine solchen Ausnahmen für den Online-Kauf von PrEP-Medikamenten, und die Bestimmungen werden mehr oder weniger konsequent angewendet.
Dynamix International (http://www.purchase-prep.com) ist eine in Bangkok ansässige und von PrEP-Aktivist_innen betriebene Firma, die Online-Bestellungen der PrEP ermöglicht. Unter http://www.purchase-prep.com/european-union/ bietet das Unternehmen eine sehr informative Seite zu Beschränkungen in EU-Ländern.
Dynamix und andere Online-Apotheken genießen im Allgemeinen einen guten Ruf, und ein Programm der Londoner Dean-Street-Klinik, das Truvada-Generika auf ihre Inhaltsstoffe prüfte, hat keine gefälschten Medikamente gefunden.
Wer sich PrEP-Tabletten besorgt, sollte sicherstellen, dass er oder sie Zugang zu den erforderlichen regelmäßigen HIV-Tests und den klinischen Begleituntersuchungen hat (empfohlen: alle drei Monate). Wenn man HIV-infiziert ist und die PrEP nimmt, reichen die antiretroviralen Substanzen nicht für eine wirksame Behandlung der Infektion aus, sodass es zur Entwicklung medikamentenresistenter HIV-Stämme kommen könnte. Außerdem ist die Überwachung möglicher Nebenwirkungen, insbesondere die Kontrolle der Nierenfunktion, unerlässlich – und preisgünstig. Wer Sex ohne Kondome hat, sollten sich zudem regelmäßig auf andere Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen.
Zwei europäische Befragungen aus dem Jahr 2016 – auf der einen Seite ein Kooperations-Projekt der schwulen Dating-Website Hornet und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), auf der anderen Seite eine Studie namens Flash! PrEP in Europe – zeigten einen relativ hohen Anteil von PrEP-Nutzer_innen unter den Befragten: 10 Prozent in der Hornet/ECDC-Studie und 5 Prozent in der Flash!PrEP-Studie, eine größere Studie, an der auch Frauen teilnahmen.
Laut der Flash!PrEP-Studie ließen etwa 70 Prozent der Leute, die eine „informelle PrEP“ mit online gekauften Medikamenten machten, keine regelmäßigen Begleituntersuchungen vornehmen.
Die Website www.iwantprenow.co.uk hilft jetzt schon seit einigen Jahren Menschen aus Großbritannien und anderen Ländern dabei, PrEP-Tabletten zu kaufen. Anfang 2016 gab es eine bahnbrechende Vereinbarung mit der Londoner 56-Dean-Street-Klinik (http://dean.st/prep/): Wer sich die PrEP online besorgt, kann hier kostenfrei regelmäßig seine Nierenfunktion untersuchen und sich auf HIV und STIs testen lassen.
Nicht viele europäische Länder verfügen über ein ähnliches Netzwerk kostenfreier, anonymer Zentren für sexuelle Gesundheit wie Großbritannien, aber einige Zentren folgen dem britischen Beispiel. So hat etwa der Barcelona Checkpoint kürzlich ein eigenes Zentrum für PrEP-User_innen eingerichtet.
Es lässt sich nur schwer schätzen, wie viele Menschen in Europa sich derzeit die PrEP online besorgen, zumal die Zahl steigt. An den beiden oben genannten europäischen Umfragen nahmen jeweils etwa 800 Menschen teil, die eine PrEP machten. Die Kontaktdatenbank von Iwantprepnow enthält Kontakte von mehreren tausend Menschen. Eine aktuelle, unveröffentlichte Studie geht davon aus, dass es in ganz Europa mindestens 5.000 PrEP-User_innen gibt, die ihre Medikamente online bestellen.